Designing – III
Teil III des kleinen Einblicks in meine Designwerkstatt
Stricken (so richtig).
Ich weiß, dass viele Designerinnen den Prozess des Modell-Strickens aus Zeitgründen an andere abgeben – aber das würde ich nie tun. Ich finde es großartig, meine Designs selbst zu stricken. Strickzeit ist in meinem Tagesablauf ein entspannender Lückenfüller, wenn mein Kopf vom Kundenservice-Mail-Schreiben, Bildbearbeiten oder Layouten raucht. Und es ist auch notwendig, dass ich meine Entwürfe erst einmal selbst stricke, auch wenn ich auf diese Weise nicht so viele Anleitungen hinbekomme wie andere Designerinnen. Denn trotz genauer Berechnungen und Mini-Modell gibt es immer noch Kleinigkeiten im Prozess, die ich dann direkt ändern kann. Ganz wichtig: Während des Strickens schreibe ich genau auf, was ich mache. Denn aus diesen Notizen entsteht später die Anleitung. Wenn das Modell fertig ist (je nach Größe nach 2-6 Wochen), vernähe ich Fäden, wasche es vorsichtig und spanne es schön in Form – schließlich soll es auf den Fotos bestmöglich rüberkommen.
Fotos machen.
Ich schieße die Fotos von meinen Strickmodellen immer selbst, obwohl ich kein Profi bin. Früher noch mit einer kleinen Knipskamera, aber inzwischen benutze ich die digitale Spiegelreflexkamera, die mein Mann sich irgendwann mal gekauft hat (eine Canon 350D). Ich wollte es erst selbst nicht glauben, aber es stimmt: Die Fotos werden damit einfach so viel besser! Ich nehme meistens ein 50-Millimeter-Objektiv ohne Zoom- oder Weitwinkelfunktion. Darum muss ich öfter mal irgendwo herumklettern, um den optimalen Blickwinkel zu bekommen, aber die Bilder werden damit lichtstärker und ich mag den Effekt, dass der Hintergrund bei Nahaufnahmen so schön unscharf wird. Ich habe ein Stativ und einen Selbstauslöser und eine Ecke in meinem Zimmer direkt beim Fenster, die ich immer als Hintergrund benutze. Dafür muss ich mein Bett umräumen, vielleicht sogar nochmal staubsaugen. Denn ich mach auch immer Fotos von dem Strickstück als Ganzes, damit die Strickerin einen Überblick bekommt (das finde ich sehr wichtig). Wenn ich selbst modele, sind meine Haare frisch gewaschen, mein T-Shirt gebügelt und mein Gesicht geschminkt (das ist an anderen Tagen nicht immer der Fall). Bei „Angles“ war es etwas anders, ich musste nur mein Bett umstellen und die Decke hübsch zurecht zupfen. Aber auch die Decke hat ihre Schokoladenseiten, und die musste ich erst einmal finden. Ganz wichtig: Vielevieleviele Fotos machen, dann ist die Wahrscheinlichkeit ein brauchbares herauszubekommen höher. Und immer einen voll geladenen Ersatzakku zur Hand haben, sonst hat man alles aufgebaut und muss dann erstmal ein paar Stunden warten, bis die Batterie wieder voll ist – und so viel Zeit (und Geduld!) habe ich nicht. An dieser Stelle mal einen Riesendank an meinen Mann, der sich diese tolle Fotoausrüstung gekauft hat. Es fehlt wirklich an nichts, und ich bin ihm sehr dankbar, dass ich sie benutzen darf. Sind die Fotos im Kasten, lade ich sie auf meinen Computer und bearbeite sie mit einem Bildbearbeitungsprogramm (ich bin erst vor Kurzem vom Konsumentenprogramm „iPhoto“ auf das professionellere „Aperture“ umgestiegen, die sind beide von Apple und längst nicht so teuer wie Photoshop & Co.). Zunächst werden alle Fotos gelöscht, die unscharf oder verwackelt sind oder auf denen ich mich nicht leiden mag. Also rund die Hälfte. Anschließend passe ich Helligkeit, Farbsättigung und den Bildausschnitt an. Auffällige Hautunreinheiten retuschiere ich mir gnädig aus dem Gesicht. Dann werden die Bilder auf eine Größe heruntergerechnet, die man gut im Layout und auf der Webseite benutzen kann.
Wer mehr übers Fotografieren von Strickteilen lernen möchte, dem empfehle ich den (englischsprachigen) Kurs „Shoot it“ von Caro Sheridan auf Craftsy.
Anleitung schreiben.
Wenn die Fotos fertig sind, geht es los: Ich schreibe die Anleitung am Computer in einem einfachen Layout-Programm. Ich habe eine Vorlage, die ich für alle Anleitungen benutze und anpassen kann. Als erstes füge ich die Bilder ein, denn wenn ich die vor Augen habe, kommt der Rest fast von selbst. Maße, Materialien und Abkürzungen müssen genau aufgeführt werden, schließlich soll die Strickerin nicht im Dunkeln tappen. Wenn ich eine besondere Technik verwende, die sich mit Worten nicht so leicht erklären lässt, fertige ich auch noch Foto-Tutorials an, bei denen ich die einzelnen Arbeitsschritte fotografiere, und meistens filme ich auch noch ein Anleitungsvideo. Für diesen Zweck benutze ich dann wieder meine Mini-Knipskamera und ein kleines Gummistativ, das ich auf meinen Schreibtisch stelle, so dass meine Hände im Blick sind. Außerdem fertige ich am Computer eine Schemazeichnung an, die ebenfalls in der Anleitung Platz findet. Ich schreibe immer zuerst die englische Anleitung und übersetze sie anschließend ins Deutsche. Das kann schon mal zwei, drei Tage dauern. Dann drucke ich beide Versionen aus und stricke jeweils noch eine Mini-Version nach der ausgeschriebenen Anleitung, mache die nötigen Korrekturen und redigiere den Einleitungstext noch einmal durch. Bei einer Anleitung für ein Kleidungsstück, das in mehreren Größen angeboten wird oder einem Design für eine Zeitschrift müsste der Text jetzt noch einmal von einem „Tech Editor“ geprüft werden, der alle Zahlen genau anguckt und die Anleitung auf technische Richtigkeit gegenliest. Und dann ist sie endlich fertig.
Veröffentlichen.
Jetzt ist der magische Moment gekommen: Ich erstelle einen Eintrag für die neue Anleitung in der Ravelry-Datenbank, lade die Bilder hoch und setze einen Preis fest. Und damit die Strickwelt von meinem neuen Werk erfährt, poste ich darüber auf Facebook, auf Twitter und auf meiner Webseite. Und dann freue ich mich über jeden Kommentar, jedes Herzchen und jedes Anstrickselbild.
Fragen beantworten.
Wenn Strickerinnen mir per E-mail oder auf Ravelry Fragen zur Anleitung stellen, beantworte ich die selbstverständlich und sehr gerne – das ist für mich ein ganz wichtiger Teil des Designer-Jobs! Manchmal schaffe ich es nicht am gleichen Tag, und die Fragen vom Wochenende müssen bis Montag warten. Rund eine halbe Stunde am Tag habe ich fürs Beantworten der Fragen von Strickerinnen eingeplant.
Hi, ich bin erstaunt und begeistert – Hut ab – das Buch von Shirley Paden hab ich mir auch – allerdings auf deutsch – gekauft und bin inzwischen auch schon fleißig am selbst designen eines Pullovers für mich. Immer wenn ich was von dir lese, macht es mir wieder Mut und ich krieg so nen richtigen Leistungsschub (-: – DANKE!!!!
Vielen, vielen herzlichen Dank für diesen echt inspirierenden Eintrag. Das war wirklich spannend zu lesen. Bin selber ja noch ganz am Anfang einer Reise ins Design, aber es macht total Spaß!
Lustigerweise geht es mir mit den Sprachen genau so, ich muss das auch erst mal auf Englisch hinschreiben, bevor ich es dann in Strickdeutsch verwandle. Kommt mir irgendwie logischer vor.
Hast Du vielleicht einen Hinweis, wie das mit den Schemazeichnungen am Computer geht? Mit Musterprogrammen klappt es schon, aber daran scheitern bei mir bisher die größeren Ideen. Mit Bleistift und Lineal wäre das ja kein Problem ;-)
Vielen Dank jedenfalls schon mal für deine vielen Tipps hier!
Liebe Grüße aus dem Süden,
Margareta
So ein toller und informativer Bericht. Ich kann bestätigen, dass du Fragen zur Anleitung sehr schnell und ausführlich beantwortest, hatte seinerzeit welche zum Hitchhiker und da hast du sofort weitergeholfen! GlG, Martina