Baggin’

Ich mag Taschen. Nicht die modischen, überkandidelten mit reichlich Pling-Pling und Designerlabel, die locker ein bis zwei Durchschnittgsgehälter kosten, sondern die funktionalen. Mit vielen kleinen Fächern und Reißverschlusstäschchen, in denen alles seinen Platz hat und sofort zur Hand ist. Eine neue Tasche mit meinen Sachen zu befüllen, ist für mich immer en kleines Fest. Wo sollen Labello, Abdeckstift und Taschentücher hin? Wo verstaue ich Pflaster, Desinfektionsspray und Insektenstich-Gel für die Kinder? In welches Geheimfach kommt das Handy, und wo kommt die Busfahrkarte unter? Wenn es gut läuft, ist sogar noch Platz für eine Kinder-Wasserflasche (in aufrechter Position!) und ein paar Müsliriegel, und zwar möglichst gut erreichbar. Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass an der roten Ampel oder kurz bevor die U-Bahn kommt jemand JETZT SOFORT etwas essen oder trinken muss. Tüten mit Schoko-Croissants oder Franzbrötchen sollten aus dem gleichen Grund am besten auch noch Platz finden. Und, ach ja, natürlich auch noch der Beutel mit dem Unterwegs-Strickzeug.

Während der letzten zehn Monate habe ich ein simples Modell von Crumpler mit mir herumgeschleppt (die “Private Messenger M“) in Dunkelgrün mit Dunkeltürkis (die Farbe gibt es wohl nicht mehr), aber die sieht jetzt schon etwas angeschraddelt aus. Sie war riesengroß, so dass ich sogar noch Regenjacken oder ganze Brotlaibe und 1,5-l -Tetrapacks mit Getränken drin unterbringen konnte, aber leider war das Innenleben nicht besonders organisiert. Die Sachen flogen drin rum, die Wasserflaschen kullerten durch die Gegend und liefen manchmal aus, alles nicht schön. Es war Zeit für eine neue Tasche. Diesmal vielleicht mal wieder was Feines aus Leder, riesengroß und knautschig, mit schön vielen leicht zugänglichen Fächern für die Strickerin, die viel mit der U-Bahn und zwei Kindern unterwegs ist. Aber intensive Internet- und Live-Recherche zeigte: Diese Tasche gibt es nicht. Die müsste ich mir schon selbst machen.

Da kam mir der Online-Kurs von Don Morin auf Craftsy (auf Englisch) gerade recht: Er zeigt, wie man auch mit Näh-Grundkenntnissen Ledertaschen näht, und das sehr detailliert, so dass man auch als Eigentlich-Nicht-Näherin folgen kann. Und schon war ich mittendrin: Leder musste her, und D-Ringe und Karabinerhaken und eine Lochzange und Druckknöpfe zum Einstanzen und Reißverschlüsse aller Art. Ich vermaß mein Handy, mein Portemonnaie und die Kinder-Wasserflasche und machte ein paar Zeichnungen. Und am Wochenende wurde mein erster Versuch aus Nylongewebe fertig. Mit allerlei krummen Nähten und so manchem Konstruktionsfehler, aber es ist eine brauchbare Tasche geworden:

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Besonders praktisch sind die Seitentaschen für Wasserflaschen und die Frontfächer für Müsliriegel und Taschentücher:

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Auch das Futter kann sich schon mal sehen lassen – mit Schlüsselkarabiner und Reißverschlussfach:

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Aber, wie gesagt, alles krumm und schief. Und von der Optik her müssten die Fronttaschen noch größer und der Taschenkörper noch bauchiger. Außerdem habe ich in meinem Eifer die Hand-Henkel vergessen… Aber der nächste Prototyp wird besser! Diesmal werde ich ihn, wie von Don Morin empfohlen, aus Wollfilz anfertigen, denn da muss man wie bei Leder nicht die Kanten versäubern. Und dann, endlich, werde ich mich an diese Schätzchen heranwagen, die ich heute beim Ledergroßhandel Detmer gefunden habe (der Laden ist großartig – hell, geräumig, Riesen-Auswahl und man wird zum Stöbern schön in Ruhe gelassen).

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Und nur zum Spaß, quasi als Anschauungsmaterial, habe ich dieses gute Stück hier beim Internetauktionshaus ersteigert: Eine Bree Lady Top aus den 80ern, die schon ziemlich abgeschrapt aussah. Aber nach einer gründlichen Behandlung mit Lederfett sieht sie richtig schön aus – und sie erfüllt fast alle meine Kriterien für die perfekte Tasche, nur der Extra-Platz für die Wasserflasche, und (viel schlimmer!) das Volumen für das Strickzeug fehlen:

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Diese tolle Taschenaufteilung mit mehreren Reißverschlussfächern haben die neuen Bree-Taschen leider nicht mehr. Aber die Modelle, die schon 20, 30 Jahre auf dem Buckel haben, sind immer noch schön und für wenig Geld zu ersteigern – absolute Kaufempfehlung von mir. Oder man stöbert mal in Mutters Kleiderschrank, vielleicht hat sie noch ihre alte Tasche da hängen und lässt sie sich abschwatzen.

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Und ich tauche wieder ab und melde mich, wenn ich mit meiner perfekten Tasche Fortschritte mache…

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I love handbags. Not the fancy, frilly kind that comes with a big name and an absurd price tag. I like functional bags that let you organize everything neatly into little compartments. My idea of fun is stocking a new bag with my belongings: Where does my lipbalm go, is there room for tissues, band-aids and ointments in case the kids get stung by an evil insect, where does my cellphone go and where my bus ticket. I just love organizing this little cosmos. Ideally, the bag features an easily accessible extra pocket for my kids’ waterbottle and another one for granola bars, so in the very likely case that one of them needs something to eat or drink RIGHT NOW when we are standing at the bus stop, I do not need to search everything. Plus, of course, there should be enough room for my on-the-go-knitting. During the past 10 months or so I used to carry a big Crumpler tote (“Private Messenger M“) which I liked because it was so big that I could easily fit in an entire loaf of bread or a 1,5-l-container of juice. On the other hand, it had no internal organization, and it started to look a little… used. It was time for a new bag. And this time, I wanted the perfect bag. The one that had it all. I started searching online and in real shops (what a pain for a nerd like me), but I had to conclude that if I wanted to have the perfect bag, I had to make it myself.

When I saw Don Morin’s online Class on making leather bags on Craftsy, I took it immediately – and liked it a lot. It is very detailed and even if you have not sewn so much, you feel like you can do it. Don explains everything from inserting zippers to preparing the leather. So I started getting my stuff together: D-Rings and fabrics for the lining and straps and snaps and such. Today, I went to this wonderful leather store here in Hamburg and picked out some nice scraps that will do just fine for making my bag.

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Meanwhile, I made a sort-of-prototype, or rather first-try-bag out of nylon fabric. I am not a big seamstress, so the seams are crooked and I made a couple of construction mistakes, but it is a usable bag. I used Don Morin’s instructions to make the lining and add a zippered pouch, and it worked just fine! My next prototype will be in felted wool as Don advises, because that way I will not have to bother with fraying edges and the like. Also, I want the front pockets bigger, a wider bag bottom, a detachable strap and additional handles.

Also, just to have a look at how it’s done, I bought a vintage bag on E-bay. It’s probably from the early 80s, and it has aged really well (the brand is Bree, a German Manufacturer of handbags). It looked very worn, but after an intense rub with leather oil it looks really nice. Back in the days, they put in lots of compartments and little zippered pouches in their bags, and I find that this one is actually pretty close to my idea of the perfect bag – except: the outside pocket for the water bottle is missing. And there is not enough space to fit my knitting. So watch this space, I will be back with progress on my perfect knitter-who-commutes-a-lot-with-2-kids-bag.
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6 Comments on “Baggin’

  1. Man kann es ja fast nicht glauben, dass du dich als Nähanfängerin bezeichnest …
    Dein Prototyp ist doch wirklich sehr schön und absolut tragbar geworden. Respekt!
    Weiter so, dann gibt es bald auch Nähanleitungen von dir ;-)

    LG Lehmi

  2. Ich finde, dass die Tasche ziemlich gut aussieht. Mein Taschentick ruht derzeit, doch sollte ich irgendwann mal gerade Nähte und Futter einnähen können, werde ich mir auch verschiedene Taschen nähen. Bunte fürs einfarbige Outfit und einfarbige fürs bunte Outfit.

    Viele Grüße
    Sandra

  3. Hi Martina, I look forward to the continued hunt for the perfect knitter-on-the-go bag. I was looking a while back and ended up with an Adax bag with 5 big compartments and lots of zippers. Zippers can be bad for knitting but I’ve had no problems. I love it but I still rummage around to find stuff. I considered getting a bag organizer but couldnt find one that I liked.

  4. Liebe Martina,
    die Bree-Taschen gab es früher (also evtl. in Mutters Schrank) noch in einer größeren Ausführung. Meine ist ca. 3o Jahre alt, abgetragen und mit Lederfett immer wieder aufgehübscht, und es passen sowohl alle üblichen Utensilien u n d ein Paar Wechselschuhe fürs Büro u n d das Strickzeug hinein. Wenn das Gestrickte dann mal die 500 gr überschreitet müssen die Wechselschuhe eben im Büro bleiben. Im Urlaub ersetze ich die Wechselschuhe durch meine Fotoausrüstung. Da die Tasche so gut gebraucht aussieht, kommt auch niemand darauf, dass da eine wertvolle Kamera versteckt sein könnte (unter der vielen Wolle).Das wollte ich dich nur wissen lassen, dass du nochmal googlen kannst (nein, meine ist heißgeliebt und absolut unverkäuflich) , als kleinen Dank für deine immer tollen Anleitungen.
    Viel Spaß mit deiner selbstgenähten und der neualten Bree wünscht
    Hanni

  5. Hallo Hanni,

    wow, das klingt toll! Da kannst Du Dich ja glücklich schätzen – Ersatzschuhe und Strickzeug, das ist wirklich enorm.
    Ich habe meine neue Gebrauchte auch schon im Einsatz. Vielleicht nähe ich einfach ein Gummiband rein, das die Wasserflasche aufrecht hält…